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Mein Leben in Bildern

  • Autorenbild: Zielgerichtet
    Zielgerichtet
  • 2. Mai 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Es ist 6 Uhr morgens. Mein Wecker hat gerade geklingelt, mir fehlt allerdings noch die letzte Kraft um aufzustehen. Ich drehe mich noch einmal im Bett und denke darüber nach, was mich heute erwarten könnte. Da ist der Kollege, mit dem ich mich nicht so gut verstehe und die anderen, die auf mich herabsehen, weil ich anderer Meinung bin. Vielleicht werde ich aufgrund meines Christseins ausgelacht. Ein Arztbesuch steht heute auch an, vor dem mir echt bange ist. Verschiedene Sorgen und Ängste belasten mich, auch wegen schlechter Erlebnisse in letzter Zeit. Jetzt habe ich noch viel weniger Lust um aufzustehen.

Aber ich weiß auch, dass ich zu einseitig denke, wenn ich alles schwarz male. Dieser Tag birgt sicher viele Möglichkeiten in sich, die ihn zu etwas Schönem werden lassen könnten, das glaube ich. So habe ich heute die Gelegenheit, mich nicht über den langsam fahrenden Vordermann aufzuregen. Ich kann mich hinten anstellen und anderen den Vortritt lassen. Eventuell begegne ich einem traurigen Menschen, dem ich etwas Liebes sagen kann. Einem Menschen, der sich aussprechen will, dem kann ich zuhören. Ich habe heute die Möglichkeit einen Bibelvers auswendig zu lernen, kleine Pausen in den Alltag einzubauen, um an liebe Menschen zu denken, für jemanden zu beten, der Gebet braucht oder eine aufmunternde Nachricht an einen Freund zu schicken. Vielleicht treffe ich heute einen Menschen, dem ich etwas von Jesus und meiner Hoffnung erzählen kann. Ich kann mich aus unnötigen Diskussionen heraushalten, den Menschen mit einem Lächeln begegnen.

Vielleicht könnte ich… Plötzlich zucke ich zusammen. Vor lauter Ideen habe ich gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergeht. Schnell springe ich auf, mit der festen Überzeugung, dass heute ein guter Tag werden kann. Ich gehe zu meinem Schreibtisch, wo ein leeres Blatt Papier bereit liegt. So, als könnte ich gar nicht anders, greife ich nach dem Blatt, klemme es unter meinen Arm und marschiere los. Ins Badezimmer, in die Küche, ins Wohnzimmer und aus dem Haus. Das Blatt wird mich den ganzen Tag begleiten.


Während ich mit dem Blatt Papier unterwegs bin, merke ich, wie sich Staub und Schmutz darauf legen. Ich erkenne, wie sich dunkle Wolken bilden und dass der Raum immer größer wird, den sie ausfüllen. Sollte mein Bild heute wirklich so aussehen? Noch einmal versuche ich das Blatt zu reinigen, doch dann bemerke ich, dass sich meine Sorgen und meine Ängste in den dunklen Schattierungen widerspiegeln. Viele meiner Befürchtungen, die ich heute Morgen hatte, scheinen ihre Plätze in dem Bild eingenommen zu haben.

Auf meinem Weg entdecke ich hin und wieder auch Farbstifte. Manche liegen direkt und unübersehbar am Wegesrand, andere etwas versteckter und abgelegener. Um an einige zu gelangen, muss ich mich tief bücken, bei anderen größere Umwege in Kauf nehmen. Wenn ich aber genau hinschaue, dann sehe ich, dass es ganz viele Farbstifte sind. Aufgrund ihrer großen Menge werde ich wieder an den Morgen erinnert als ich darüber nachdachte, wie viel Schönes mir heute begegnen könnte. Zu einigen meiner morgendlichen Gedanken, finde ich die passenden Stifte, aber viele Stifte sind an Orten, an denen ich sie nicht erwartet hätte. Doch sie sind da. Leider kann ich sie nicht alle aufheben und für mein Bild gebrauchen. Das liegt auch daran, dass ich zu schnell und zu sehr abgelenkt unterwegs bin.

Der Tagneigt sich nun langsam dem Ende entgegen und auch das Bild wird immer vollständiger. Die dunklen Wolken sind noch da, genauso wie die schwarzen Felsbrocken. Aber ich habe es geschafft, dass sie nicht mehr das Bild prägen, sondern einfach nur zur Landschaft dazugehören. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass meine Befürchtungen im Voraus unberechtigt groß gewesen sind und meine eigenen Chancen sie wieder übertroffen haben. Das Bild ist schön und bunt geworden. Gott sei Dank dafür!

Nach diesem aufregenden Tag gehe ich heute etwas früher als gewöhnlich zu Bett. Ich nutze die Zeit, um mir das heutige Bild noch einmal anzuschauen. Gleichzeitig ist das auch ein guter Zeitpunkt um über mein Leben nachzudenken. Es ist das Leben eines Künstlers. Tausende von Bildern habe ich bereits entworfen und es werden wohl noch viele weitere folgen. Lange Zeit war ich ein freier Künstler, einer, der die Bilder nach seinem Geschmack gestalten konnte, so wie es ihm gefiel. Ich liebte es, selbständig zu sein und alle meine Vorstellungen zu verwirklichen. Doch eines Tages gab ich die Selbständigkeit auf. Ich bekam eine Nachricht von einem Meister, der sich für meine Bilder interessierte. Ich sollte meine Zeit, meine Fähigkeiten, meine Mühe und meinen Fleiß für ihn einsetzen. Und er wollte meinen Bildern dafür einen Sinn und eine Richtung geben. Jedoch wehrte ich das zunächst ab. Meine Selbständigkeit war mir zu wichtig. Unter einem anderen arbeiten? Dafür wollte ich zu sehr unabhängig sein.

Bis ich verstand, wer dieser Meister wirklich ist. Er ist es, dem ich die Künstlertätigkeit überhaupt verdanke, er ist es, der mir jeden Tag das leere Blatt Papier auf dem Tisch vorbereitet und er ist es auch, der die Farbstifte in meinen Weg legt. Ja, jedes meiner Kunstwerke ist ihm wichtig und hängt in seiner Galerie aus. Und das wichtigste, er nimmt mir die Angst. Weil das Papier, auf dem ich male, ihm gehört, muss ich auch später vor ihm verantworten, was daraus geworden ist. Und wenn ich daran denke, wie viele Blätter ich bereits verunstaltet habe, dann wird mir ganz schwarz vor Augen. Der Schaden, den ich angerichtet habe, ist in seinem ganzen Ausmaß gar nicht zu ermessen. Ewig müsste ich dafür Strafe bezahlen. Doch seit ich für den Meister arbeite, habe ich den Versicherungsschein für meine Bilder. Im Grunde genommen ist er nichts anderes, als eines der Kunstwerke meines Meisters. Er stellt ihn mir frei zur Verfügung. Welch ein Privileg!


Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich viele andere Künstler. Einige von ihnen sind auch Lehrlinge des Meisters, so wie ich. Das ermutigt mich. Von anderen weiß ich, dass sie freie Künstler sind. Sie lehnen den Meister ab, so wie ich früher. Manche erkennen nicht den Schaden, den sie bereits verursacht haben oder sie möchten ihre angebliche Selbständigkeit nicht gegen den Versicherungsschein eintauschen. Das macht mich traurig. Ausführlicher über ihre Arbeit zu urteilen steht mir aber nicht zu, sehe ich doch ihre Bilder nur aus meiner Perspektive. Mein Blickwinkel ist sehr begrenzt und eine faire Bewertung meinerseits überhaupt nicht möglich.

Es ist ja ohnehin wichtiger, dass ich mich auf meine eigene Arbeit konzentriere, denn auch die Qualität meiner Bilder lässt oft zu wünschen übrig. Da gibt es Zeiten, wo mir die schwarze Farbe ausläuft und das ganze Bild zerstört. Oder manchmal finde ich die Farbstifte einfach nicht, obwohl mein Meister sie offensichtlich positioniert. Dann erwarte ich eigentlich, dass mir der Meister die Zusammenarbeit kündigt. Das wäre absolut berechtigt und konsequent, aber dazu kam es noch nicht. Und wie ich meinen Meister kennengelernt habe, wird es auch niemals dazu kommen. Stattdessen legt er den Arm um meine Schulter und wir gehen meine Bilder gemeinsam durch. Er versteht es, mich aufzurichten.

Dafür nimmt er auch immer wieder sein eigenes Album zur Hilfe, wo eine Vielzahl seiner Bilder zu sehen sind. Das sind wirklich Bilder in Perfektion!


In seinen Bildern erkenne ich, wie er in Situationen gehandelt hat, in denen ich mich auch befinde. Ich lerne, wie er mit dem schwarzen Farbtopf umgegangen ist, aber auch wie er die Stifte eingesetzt hat, mit welchem Druck und welcher Schraffur. Das Album enthält auch Bilder von anderen Lehrlingen, die meine Vorbilder geworden sind. Aber genauso zeigt es klar die Fehler, die man machen kann und Bilder, die missraten sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Bilder besser werden, wenn ich mir regelmäßig die Impulse für meine Werke aus dem Album meines Meisters abhole. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Bilder möglichst schön werden, sondern auch, dass sie dem Stil des Meisters entsprechen. Es ist ja schließlich das Ziel meiner Arbeit, dass darin die Handschrift meines Meisters erkennbar wird. Das ist mir mehr wert als der Preis, den ich für meine Bilder auf dem freien Markt erzielen könnte.

So geht mein Leben dahin, voller Freude darüber, für meinen Meister wirken zu können und ihn in meinen Bildern widerzuspiegeln - eine große Herausforderung mit sehr vielen Chancen.

Aber es gibt auch Tage, an denen ich des Schaffens müde bin. Da wünsche ich mir, bei meinem Meister zu sein und auszuruhen. Bis dahin gibt es allerdings noch jede Menge zu tun…

Ich werfe noch einen letzten kurzen Blick auf das Bild des Tages. Gleich werde ich einschlafen und wenn ich morgen früh aufwache, da bin ich mir ganz sicher, liegt wieder ein leeres Blatt Papier auf meinem Tisch, das darauf wartet, von mir mit Schönem ausgefüllt zu werden. Wie werde ich es gestalten?

 
 
 

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